Freitag, 15. April 2016

FM Druckenthaner Leseprobe: Nr. 1874 „DER STANDARD“, 14.07.2012 Robert A. Lincoln „Fun with Chess Miniatures”, 1996

Diesen und die nächsten drei Freitage werden wir auf unserer HP jeweils ein BSP aus dem Buch "Ganz leicht" "Ganz schön" "Ganz schön schwer"  von FM Andreas Druckenthaner als Leseprobe veröffentlichen. Es wird angeraten, die Aufgaben selbst zuerst am Analysebrett zu studieren, bevor die Lösungen eingesehen werden. neben den schönen Schachaufgaben liegt der Mehrwert dieser Publikation primär in der exzellenten schachtheoretischen Aufbereitung der Problemsituationen sowie in einem Tutorium der technischen und logischen Herangehensweise im Kontext der Zugfindung. Anmerkung: die heutige Lösung als Einstieg ist der Kategorie "Ganz leicht" zuzuordnen.
Weiß zieht und setzt in 2 Zügen matt
Eine erste Bestandsaufnahme der Figuren ergibt folgendes Bild:
·       Der weiße Lf2 hat offensichtlich nur die Aufgabe, dem schwarzen König das Ausweichfeld g1 zu nehmen;
·       dieselbe Funktion kommt offensichtlich auch dem schwarzen h-Bauern zu: Er verhindert ein Entweichen des schwarzen Königs über h2;
·       es ist offensichtlich, dass beide Spielsteine nichts mit dem Mattsetzen selbst zu tun haben, der schwarze König steht auf einem weißen Feld, von wo er nicht auf ein schwarzes vertrieben werden kann – diese Aufgabe kommt sohin dem (weißen) weißfeldrigen Läufer und der Dame zu;
·       der weißfeldrige (schwarze) Läufer auf g2 aber dominiert offensichtlich die a8-h1-Diagonale derart, dass er dem eigenen König ausreichend Schutz zu gewähren scheint; nebenbei steht auch die Drohung eines Schachgebotes auf d5 im Raum, die sich aktuell nur wegen Dxd5# – und sogar Matt!! – verbietet;
·        warum der weiße König gerade auf b3 und nirgendwo anders steht, bleibt vorerst im Dunkeln; er könnte aber, soviel lässt sich aus dem vorigen Parameter bereits ableiten, mit dem Schachgebot … Ld5+ zu tun haben.



Nach dieser ersten Situationserfassung erscheint sohin klar, dass ein Mattsetzen auf der a8-h1-Diagonale wegen des dominanten schwarzen Lg2 nicht ohne weiteres möglich ist – dazu müsste sich dieser, wie bereits angeführt, mittels 1. … Ld5 schon opfern, sodass, wie gleichfalls bereits erwähnt, 2. Dxd5# Matt bedeuten würde.
Das einzig auszumachende schwache Element in der schwarzen Stellung bildet die Grundreihe, sodass auf der Suche nach möglichen Endstellungen, also Mattbildern, nur ein Grundreihenmatt in Frage kommen kann; beispielsweise wäre folgende Mattsituation nach der Überführung der weißen Dame auf dieselbe mittels etwa 1. Db1 Lb7 2. Lh3 denkbar:
Gehen wir also in die Ausgangsstellung zurück und versuchen es gedanklich mit 1. Db1, so können wir vor dem Hintergrund obiger Bestandsaufnahme – im Besonderen zum Wirkungskreis des Lg2 – aber leider rasch erkennen, dass Schwarz nicht einfach mit 1. … Lb7 fortsetzen und sich mit 2. Lh3# Matt setzen lassen muss, sondern dem Mattsetzungsvorhaben mit 1. … Ld5+, also Zeit gewinnendem Schachgebot, einen Riegel vorschieben kann; durch 1. Db1 hat sich der Anziehende ja der Kontrolle des Feldes d5 begeben.
Obige Stellungsparameter und die bereits gewonnene Gewissheit, dass das Matt nur über die einzige schwarze Schwachstelle, die Grundreihe, die von der weißen Dame auch über das Feld d1 in Beschlag genommen werden kann, zu erfolgen hat, führen uns letztlich zum entsprechend einzig möglichen Lösungsanfang:
1. Dd1!
·         Besetzung der schwachen Grundreihe;
·         weiterhin Kontrolle des Feldes d5 – gegen schwarze Schachgebote mit 1. … Ld5+, siehe b), gerichtet.
Folgende Läuferzüge – nur er kann ziehen – sind zu untersuchen:
a) 1. … Lf3?   b) 1. … Ld5+?     c) 1. … Lsonstig a8-h1  d) 1. … Lh3    e) 1. … Lxf1
Zunächst die elementar ganz schwach erscheinenden Züge – a) 1. … Lf3? und b) 1. … Ld5+?, die eigentlich keines Kommentars bedürfen, da hier der jeweils zweite Zug sogleich ins Auge stechen müsste.
a) 1. … Lf3? 2. Dxf3# Weiß nimmt einfach den Läufer aus dem Spiel und setzt gleichzeitig matt.
b) 1. … Ld5+? Ebenso kann Weiß im Falle des Schachgebotes durch den Läufer verfahren: Er beseitigt denselben mittels 2. Dxd5# und setzt (wiederum) gleichzeitig matt.
c) 1. … Lsonstig a8-h1 Zieht aber der Lg2 auf irgendein sonstiges Feld auf der a8-h1-Diagonale, ausgenommen eben die besprochenen Felder f3 und d5, dann vermögen wir das angestrebte Grundreihenmatt, modifiziert mit der Stellung der Dame auf d1 und nicht mehr auf b1, durch 2. Lh3# zu verwirklichen – siehe Stellungsbild (für den beispielartigen Fall, dass der Nachziehende 1. … Lb7 spielte.
d) 1. … Lh3 Ebenso verhält es sich mit 1. … Lh3: Diesfalls schlägt Weiß den schwarzen Läufer mit 2. Lxh3# und setzt gleichzeitig matt. Der Lf1 darf aber auf keinem anderen Feld ein Abzugsschach geben, beispielsweise mit 2. Ld3, da dann der schwarze Läufer wieder nach f1 zurückzukehren oder der König des Nachziehenden gar nach g2 zu gehen vermag und das Matt entscheidend hinauszögern würde.
e) 1. … Lxf1 Hier lässt Weiß aber einfach mittels 2. Dxf1#  das Matt folgen.
Im Rahmen der Bestandsaufnahme verblieb als unklarer Erkenntnisrest die Position des weißen Königs; nach nun erfolgter Lösung lässt sich auch diese offene Frage – zumindest einigermaßen vollständig – beantworten; lediglich „einigermaßen vollständig“, da es natürlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, jedes nur erdenkliche Feld, auf dem der weiße König stehen könnte, hinsichtlich seiner Konsequenzen zu untersuchen:
Stünde der weiße König etwa auf einem schwarzen Feld – zum Beispiel a3, b2 etc. – dann wäre das Problem mit dem Schönheitsmakel der Doppellösigkeit behaftet, zumal auch 1. Db1 den Lösungsanfang bilden könnte. In der Ausgangsstellung mit dem schwarzen König auf b3 aber verbietet sich, wie bereits erwähnt, 1. Db1 wegen des mit 1. … Ld5+ verbundenen Schachgebotes.
Auf zahlreichen anderen weißen Feldern aber – sicherlich davon ausgenommen die Felder g4 und h5 (siehe sogleich) – liefe der Anziehende aber Gefahr, dass  entweder 2. Dd1 wegen eines jeweiligen Schachgebotes durch den Lg2+ nicht mehr funktionieren würde, sodass Weiß nicht mehr im zweiten Zug mattsetzen könnte oder wir hätten es gar mit einer neuen Problemkonstellation mit anderem Lösungsbeginn, nämlich 1. Db1 statt 1. Dd1, zu tun:
Beispielsweise könnte der Nachziehende im Falle eines auf a4 oder e8 postierten Königs mit 1. … Lc6+ vorgehen, und stünde der König des Anziehenden  etwa auf g6 oder h7, dann verbietet sich gar 1. Dd1 wegen 1. … Le4+; diesfalls würde sich 1. Db1! als richtiger Lösungsanfang entpuppen, da dann das Schachgebot 1. … Le4+ mit 2. Dxe4# mattgerecht entschärft würde.
Der weiße König auf b3 steht sohin goldrichtig. Wie aber bereits angedeutet, sind die Felder g4 und h5 jedenfalls dem Feld b3 gleichwertig:
Auch hier wäre 1. Dd1! der richtige Lösungsanfang, da nach 1. … Lf3+ 2. Dxf3# folgen könnte und im Falle eines weißen Monarchen auf g4 nach 1. … Lh3+ 2. Lxh3# das Matt herbeiführen würde.
Die Lösung auf einen Blick:
1. Dd1!
a) 1. … Lf3? 2. Dxf3#;
b) 1. … Ld5? 2. Dxd5#;
c) 1. … Lsonstig a8-h1 2. Lh3#;
d) 1. … Lh3 2. Lxh3#;
e) 1. … Lxf1 2. Dxf1#.





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