Abgesehen von Runde 2 gegen Fuchs Michael (2205) waren die
Leistungen von Florian Charaus in den verbliebenen Runden nahezu fehlerlos. Aber selbst
in Runde 2 schaffte Florian ein paar Teilerfolge (nicht einschlafen, nicht auf
das Brett reihern, etc.). Es gab zwar auch ein paar pazifistische Remisen im
Mosti-Clan, die ausgefochtenen Partien spielte Florian sehr, sehr genau und die erspielten
Ergebnisse können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden - belohnt mit nun 2022 ELO, BRAVO!!! Eine
wirkliche Partie des Monats ist nicht offensichtlich, dafür haben die
Opponenten leider zu wenig beigetragen. Nichts desto trotz muss zumindest eine
Partie von Florian vorgetragen werden – sein nervenaufreibender Schwarz-Sieg gegen Gerhard
Spiesberger (2057) aus Runde 4 um zu demonstrieren, dass man selbst mit einem
Mehrturm noch um den Partieausgang hart kämpfen muss.
Abgespielt wird [B18] Caro-Kann in der Hauptvariante mit
6.Nf3 Nd7. Diese Eröffnung findet sich 1,489 mal in den Datenbanken der
internationalen Meisterpartien mit guter Bilanz für Schwarz (W=25.7,
R=48.2,S=26.1). Florian Charaus, ein Kenner der Theorie, schafft es stets die
für Schwarz vielversprechendsten Linien zu finden.
Nach dem 10. Weißzug (c3)
mit 17 abgespielten Partien ist die Bilanz schon klar auf schwarzer Seite (W=17.6,
R=41.2, S=41.2), wenn auch der Computer den weißen Vorteil immer noch als
konserviert ansieht. Florians Antwort 10..Qc7 wurde auch zweimalig erprobt –
Alternativen wären 10…0-0, 10…a6 oder 10…Nb6. Schwarz steht zu diesem Zeitpunkt
solide, Weiß kann am ehesten den Angriff mit Nh4 fortsetzen, um die
Bauernstellung bei geöffneter h-Linie zu schwächen. Dieser Zug wird jedoch noch
etwas verzögert und der bekannte Pfad der Theorie mit 11.a4 verlassen. Nach
13.Nxg6 hxg6 ist die h-Linie von Florian aufgebrochen – von einem massiven
weißen Königsangriff ist jedoch noch nichts zu sehen.
Das Spiel verlagert sich
vielmehr in weiterer Folge auf den Damenflügel. Nach
18.Re2? findet Florian das
starke
18…a5! (
vgl. Diagramm rechts vor weißem Zug 19) Ein vermeintliches Bauernopfer, das jedoch den kompletten weißen
Druck aus der anrollenden Bauern-Phalanx nimmt (zusammen mit nachfolgendem
19…c5).
Die erwachsenden weißen Doppelbauern auf der a-Linie sind derzeit noch ohne Perspektive
und sind im weiteren Partieverlauf immer einfache Ziele. Nach 18…a5 steht
Schwarz erstmalig marginal besser. Im weiteren Partieverlauf ist die Stellung
stets nahezu ausgeglichen. Eine ernste weiße Drohung erwächst mit 25.Rb1, womit
der letzte Verteidigungsbauer am schwarzen Damenflügel (b7) unter Beschuss
genommen wird und auch mit 16.Rb5 Druck auf das Zentrum ausgeübt werden könnte.
Stattdessen entscheidet sich Spiesberger mit
16.Qa3 den ohnehin vergifteten
weißen Bauern auf a4 zu besichern. Ein Abschlagen von Schwarz wäre ohnehin zu
widerlegen gewesen (
26. Rb5 Qxa4 27.c4! Bd4 28.Nd6 und schwarzer Figurenverlust
ist unvermeidbar).
Der Zug 28.Rb5 erfolgt viel zu spät – nun hat Florian mit
dem notwendigen 28…b6 die Möglichkeit, sämtliche Probleme am Damenflügel
aufzulösen. Nach 31…Nd5 ist der Turm von Spiesberger vom Springer bedroht (vgl. Diagramm links nach 32. Weiß-Zug 32.Qc4), es
gibt jedoch viele Möglichkeiten, die Situation gut für Weiß aufzulösen, z.B. 32.Rb5,
32.Rb4 oder die Aufgabe der Turmlinie mit Abtausch 32.Rxb8. Stattdessen erfolgt 32.Qc4? was einen kompletten Turm plus Tempoverluste bedeutet. Beide Spieler
kommen in massive Zeitnot, nach 35.Qh3 erwächst in Kombination mit dem Springer
eine Angriffsdrohung auf die schwarze Königsstellung. Florian spielt zu diesem
Zeitpunkt nur noch mit den 30sec Inkremente auf der Uhr. Nach 36.Qg4 hängt die schwarze
Dame implizit – ein Damenzug wird
erbeten. Florian findet dabei mit 36…Qa1+ eine der stärksten Alternativen. Mit 38…Rg1+
wäre die Stellung endgültig gewonnen.
Florian muss jedoch in Zeitnot
zumindest seine Vorteile bis über Zug 40 hinaus konservieren. Die nach Zug
43.Qxg7
erwachsende Stellung ist nicht unkritisch. Der Bauer auf f7 droht gegen weiße
Dame/Springer mit Schach zu fallen – ein weißer Springer-Zug würde ferner die
Diagonale für den Läufereinsatz freigeben und der weiße Turm kann dann auch
noch in den Angriff geworfen werden. Nur der Gegenangriff mit 43…Ne1+! (
vgl. Diagramm rechts) Würde den
klaren Sieg von Florian konservieren. Da Florian ca. 20min intensiv rechnet,
überlegt auch der Chronist, wie er die Stellung voranspielen würde und kommt
zur Conklusio, dass 43…e5 vorübergehend alle Probleme lösen sollte. Das
intuitive und schlussendlich von Florian abgespielte
43…Qf5 lässt einen vielfältigen
Angiff auf den schwarzen Monarchen zu und wird vom kiebitzenden Chronisten mit Sorge
betrachtet. Der schwarze Vorteil sinkt in diesem Moment von zwischenzeitlich
-11.0 auf ca. -2.0. Eine Remise ist für Spiesberger wieder in Reichweite.
Bei
Zug 44 hat nun Weiß unterschiedliche Angriffspläne, z.B. Erobern der Dame mit
43.Rxe6+
Qxe6 44.Nxf6 was wegen
44…Rxd2+! scheitert. Schwierig zu verteidigen ist nun
44.Nxe6! Kd7 45.Nxd8 Bxd8 46.Qf8 nahe am Ausgleich, wo von Schwarz
46...Kc8 gefunden werden müsste!!! (
vgl. Diagramm rechts nach alternativem Zug 48)
. Ebenfalls möglich
44.Nxf7 mit Abzugsdrohung und möglichem Läuferschach. Dies wird auch
abgespielt, es folgt
44…Qxf7, 45.Bg5+ Ke8.
Ein Damentausch von Weiß würde eventuell in
Richtung Remise abwickeln (
vgl. alternatives Diagramm links vor Zug 50), z.B. mit
46.Qxf7+ Kxf7 47.Bxd8 Ne1+ 48.Rxe1 Rb2+ 49.Kh3 Bxd8. Das möglich gewesene Endspiel mit K + R + 4P gegen K + R + B + 2P hätte Spiesberger möglicherweise bessere Remis-Chancen eingeräumt. Die jedoch ab
46.Qh8+ abgespielte
Variante erlaubte Florians Monarchen die Flucht in ein gewonnenes schwarzes Endspiel mit K + 2P
gegen K + R. Eine sehr dramatische Partie die wieder mal zeigte, dass
selbst mit signifikantem Materialverlust bei vorliegendem Königsangriff noch einiges an
Ideen am Brette möglich sein können.